Dysthyme Störung

Unter einer Dysthymen Störung (auch “Dystyhmia” oder “Dysthymie” genannt) versteht man eine Erkrankung, bei der die Betroffenen langjährig unter einer leicht depressiven Verstimmung leiden. Da sich die niedergeschlagene Stimmung bei den Betroffenen über Jahre hinaus chronifiziert hat, kann die Dysthymie bei ihnen zu einem lang anhaltenden Leiden führen.

Neben der depressiven Stimmungslage leiden die Betroffenen unter Symptomen wie Appetitminderung oder Appetitsteigerung, Schlaflosigkeit oder übermäßigem Schlafbedürfnis, Energieverlust oder Erschöpfung, geringem Selbstwertgefühl, schlechter Konzentrations- und Entscheidungsfähigkeit und dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit.

Epidemiologie

Die Dysthymia tritt mit einer Punktprävalenz von ca. 3% und einem Lebenszeitrisiko von ca. 6% auf. Der Erkrankungsbeginn liegt häufig schon in der Jugendzeit. Im Gegensatz zu den Depressionen gibt es keinen Geschlechterunterschied in der Auftretenshäufigkeit.

Definition nach ICD-10

Die Internationalen Klassifikation der Krankheiten (International Classification of Diseases - ICD-10) definiert die Dysthymia (F34.1) als eine Erkrankung, bei der die Betroffenen über mehrere Jahre hinweg an der Mehrzahl aller Tage unter einer depressiven Verstimmung leiden, wobei das Stimmungstief aber hinsichtlich dem Schweregrad und der Dauer nicht die Kriterien einer Rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10 F33) erfüllt.

(vgl. Dilling 2011, Dilling 2013, DIMDI 2014)

Dysthyme Störung: Diagnose nach ICD-11

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat im Juni 2018 die 11. Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (engl. International Classification of Diseases) ICD-11 vorgestellt.

Die Dysthyme Störung wird in der ICD-11 unter der Codierung ICD-11 6A72 geführt.

(vgl. WHO 2017, WHO 2018)

Weiterlesen: Depressive Störungen: Diagnose nach ICD-11

Definition in Anlehnung an das DSM-IV

Das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV) definiert die Dysthyme Störung (DSM-IV 300.4) als eine Erkrankung, bei der die Betroffenen über mindestens zwei Jahre (bei Kindern/Heranwachsenden mindestens ein Jahr) die meiste Zeit des Tages an mehr als der Hälfte aller Tage unter einer depressiven Verstimmung leiden.

Neben der depressiven Stimmungslage leiden die Betroffenen in dem selben Zeitraum unter mindestens zwei der folgenden Symptome:

Es darf innerhalb des selben Zeitraumes kein durchgehendes Intervall für zwei Monate oder länger ohne die depressive Symptomatik bestehen.

Während der ersten beiden Jahre der dysthymen Störung (bei Kindern/Heranwachsenden ein Jahr) darf zu keinem Zeitpunkt eine Episode eine Major Depression bestanden haben. Später können bei der dysthymen Störung ““überlagerte Episoden” einer Major Depression auftreten, dann ist die Diagnose “Dysthyme Störung mit überlagerten Episoden einer Major Depression” zu stellen. Falls die Major Depression vor der Dysthymen Störung bestanden hat, so muss zwischen den beiden Erkrankungen ein depressionsfreies Intervall von mindestens zwei Jahren bestanden haben.

In der Vorgeschichte dürfen keine manischen, gemischten oder hypomanen Episode bestanden haben, auch die Kriterien einer Zyklothymen Störung dürfen nicht erfüllt gewesen sein. Die Symptome dürfen nicht im Verlauf einer chronischen psychotischen Störung auftreten. Die Symptome dürfen nicht aufgrund der direkten körperlichen Wirkung einer Substanz (wie z.B. Medikamente oder Drogen) oder aufgrund eines körperlichen Krankheitsfaktors bestehen.

Die Symptome müssen bei den Betroffenen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen verursachen.

(vgl. Saß 2003)

Dysthymie (DSM-5 300.4):
Diagnosekriterien nach DSM-5

Die 5. Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders - DSM-5 wurde im Mai 2013 von der American Psychiatric Association (APA) veröffentlicht.

Die Dysthymie wird im DSM-5 als Anhaltende Depressive Störung (Persistent Depressive Disorder / Dysthymia) - 300.4 geführt.

Eine tabellarische Übersicht der Diagnoseschlüssel für die Dysthymie und die anderen Affektiven Erkrankungen finden Sie im Kapitel Affektive Störungen.

(vgl. APA 2013)

Double Depression

Unter einer Double Depression (doppelte Depression) versteht man eine Dysthymie, die von einer Major Depression überlagert wird. Der Double Depression entspricht im DSM-IV die Diagnose “Dysthyme Störung mit überlagerten Episoden einer Major Depression”.

Neurotische Depression

Der Begriff Neurotische Depression (auch Depressive Neurose genannt) wurde und wird insbesondere im psycho­analytischen Sprachgebrauch verwendet, um depressive Erkrankung die sich vorrangig reaktiv entwickelt haben von der sogenannten Psychotischen Depression (auch “Endogene Depression” oder “Melancholie” genannt) abzugrenzen.

Die “neurotische Depression” zeichnet sich durch eine andauernd depressive Stimmungslage aus, während die “psychotische Depression” zumeist durch rezidivierende Phasen, ggf. auch mit intermittierenden manischen Phasen, gekennzeichnet.

Während die Diagnose “Neurotische Depression” im ICD-9 noch vorhanden war, wurde sie im ICD-10 durch die Diagnosen “Dysthymia” bzw. “Rezidivierende depressive Störung” ersetzt. Dies führte zu erheblicher Kritik, da nach einigen Meinungen die letztgenannten Diagnosen das Bild der Neurotischen Depression nicht ausreichend erfassen. Auch das DSM-IV kennt nur noch die Diagnosen “Dysthyme Störung” und “Major Depression”.

Therapie

Die Therapie der Dysthymia ist bisher wissenschaftlich nicht so umfassend untersucht worden wie z.B. die Behandlung der Depression. Insgesamt ist die Behandlung der Dysthymia in vielen Bereichen ähnlich der Therapie der Depression.

Wissenschaftliche Untersuchungen haben bisher insbesondere die Wirksamkeit der Kognitiven Verhaltenstherapie, der Interpersonellen Psychotherapie, des so genannten Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) sowie der medikamentösen Behandlung, z.B. mit Amisulprid oder Sertralin, belegen können. Die besten langfristigen Therapieerfolge scheint vermutlich eine Kombinationsbehandlung aus Psychotherapie und medikamentöser Behandlung zu bringen (vgl. u.a. Ravindran 1999, Browne 2002, Kocsis 2009).

Autoren des Artikels: