Affektive Störungen
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Als Affektive Störungen werden Erkrankungen bezeichnet, die mit einer Veränderung des Affekts, also der Stimmungs- und Gemütslage einhergehen. Auf dieser und den folgenden Seiten finden Sie ausführliche Informationen über Epidemiologie, Symptome, Diagnose, Komorbidität, Risikofaktoren, Ursachen, Verlauf und Therapie der Affektiven Störungen.
Neben den Depressiven Störungen werden auch die Bipolaren Störungen, die Dysthyme Störung und die Zyklothyme Störung zu den affektiven Störungen gezählt.
Auch wenn das Krankheitsbild der Depression zuletzt vermehrt in den Medien präsentiert wurde, handelt es sich bei den affektiven Störungen doch um Erkrankungen, welche die Menschen bereits seit Jahrtausenden begleiten. Erste Beschreibungen dieser Krankheitsbilder findet man zum Beispiel bereits bei Hippokrates, der im 4. Jahrhundert vor Christus in seinem Konzept der humoralen Störungen (“Viersäftelehre”) die Symptome der Depression und Manie, die er als Störungen der “schwarzen” und “gelben Galle” ansah, sehr genau beschrieb.
Der Begriff Melancholie (von griechisch μελας melas, “schwarz” und χολη cholé, “Galle”) erinnert immer noch an das von Hippokrates beschriebene Konzept, in welchem er als Ursache für die Melancholie eine Überschuss an “schwarzer Galle” im Körper vermutete.
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Affektive Störungen: Klassifikation
Heutzutage wird die Klassifikation der affektiven Störungen üblicherweise entsprechend den Diagnosekriterien der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (International Classification of Diseases - ICD-10) und des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) durchgeführt. Da sich die beiden Diagnosesysteme in der Klassifikation und der Terminologie etwas unterscheiden, finden Sie unten zum besseren Überblick eine tabellarische Gegenüberstellung.
Während die ICD-10 zum Beispiel eine wiederkehrende depressive Symptomatik als Rezidivierende depressive Störung (ICD-10 F33) klassifizieren würde, bezeichnet das DSM-5 diese Symptomatik als Major Depression (DSM-5 296.3).
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Affektive Störungen: Klassifikation nach ICD-10
Die InternationaIe Klassifiktion der Krankheiten (International Classification of Diseases, ICD-10) definiert affektive Störungen als Erkrankungen, deren Hauptsymptom eine Veränderung der Stimmung oder der Affektivität - entweder zur Depression oder zu gehobener Stimmung hin - ist.
Neben dem Stimmungswechsel besteht bei den meisten Erkrankten auch eine Veränderung des allgemeinen Aktivitätsniveaus. Im Zusammenhang mit dem Stimmungs- und Aktivitätswechsel treten in den Krankheitsphasen verschiedene weitere Symptome auf, wie zum Beispiel sozialer Rückzug, Zukunftssorgen etc.
Die affektiven Störungen haben häufig einen phasischen Verlauf mit einer Tendenz zu wiederkehrenden, oftmals mehrere Monate andauernden Krankheitsepisoden. Der Beginn der einzelnen Episoden steht oft mit belastenden Lebensereignissen oder Situationen in Zusammenhang.Depressive Episoden,
Entsprechend dem Ausprägungsgrad der Symptome und dem Krankheitsverlauf wird unter anderem in die unipolare Depressive Störung, die Bipolare affektive Störung, die Zyklothyme Störung (Zyklothymia) und die Dysthyme Störung (Dysthymia) unterschieden.
(vgl. Dilling 2011, Dilling 2013)
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Affektive Störungen: Klassifikation nach ICD-11
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat im Juni 2018 die 11. Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (engl. International Classification of Diseases) ICD-11 vorgestellt.
Die Affektiven Störungen werden in der ICD-11 unter der Codierung 6A6, 6A7 und 6A8 geführt.
- 6A6 Bipolare Störungen
- 6A60 Bipolar-I-Störung
- 6A61 Bipolar-II-Störung
- 6A62 Zyklothyme Störung
- 6A6Y Andere spezifische Bipolare oder verwandte Störungen
- 6A6Z Unspezifische Bipolare oder verwandte Störungen
- 6A7 Depressive Störungen
- 6A70 Einzelne depressive Episode
- 6A71 Rezidivierende depressive Störung
- 6A72 Dysthyme Störung
- 6A73 Gemischte Depressive- und Angststörung
- 6A7Y Andere spezifische Depressive Störungen
- 6A7Z Unspezifische Depressive Störungen
Weiterlesen:
• Bipolare Störungen - ICD-11
• Depressive Störungen - ICD-11
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Affektive Störungen: Klassifikation nach DSM-5
Die Krankheitsbilder Depression, Manie, Zyklothymia (Zyklothymie) und Dysthymia (Dysthymie) werden im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) unter dem Oberbegriff Mood disorders zusammengefasst.
Major Depression
Eine über mindestens zwei Wochen bestehende depressive Erkrankung wird im DSM-5 als Major Depression bezeichnet.
Bipolare Störungen
Erkrankungen mit einem Wechsel zwischen depressiver und manischer bzw. hypomaner Stimmungslage werden im DSM-5 wie im ICD-10 als Bipolare Störungen bezeichnet. Das DSM-5 unterteilt zusätzlich in eine Bipolar-I-Störung (mit depressiven und manischen Phasen) sowie eine Bipolar-II-Störung (mit depressiven und hypomanen Phasen).
Dysthyme Störung
Depressive Erkrankungen, die über mindestens zwei Jahre bestehen, die aber nicht den Schweregrad einer Major Depression erreichen, werden im DSM-5 als Dysthyme Störung (Dysthymia) bezeichnet.
Zyklothyme Störung
Als Zyklothyme Störung (Zyklothymia) werden im DSM-5 analog über mindestens zwei Jahren bestehende Erkrankungen bezeichnet, die mit Schwankungen zwischen depressiven und hypomanen Phasen einhergehen, und die nicht den Ausprägungsgrad einer Bipolaren Störung erreichen.
(vgl. APA 2013)
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Affektive Störungen: Diagnosen nach ICD-10 / DSM-5
Die Diagnose der Affektiven Störungen unterscheidet sich, wie oben bereits erwähnt, zwischen ICD-10 und DSM-5. Zur besseren Übersicht finden Sie hier eine Gegenüberstellung der beiden Diagnosesysteme.
Zum Vergrößern fahren Sie bitte mit dem Mauszeiger auf die Tabelle. Die Tabelle wird aufgrund ihrer Größe erst ab einer Bildschirmbreite von 25em angezeigt.
Die genauen Diagnosekriterien werden in den Kapiteln der jeweiligen Störungsbilder beschrieben, klicken Sie dazu bitte hier:
• Depressive Störungen
• Bipolare Störungen
• Zyklothyme Störung
• Dysthyme Störung
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Affektive Störungen: Diagnosekriterien DSM-IV / DSM-5
Die 5. Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders - DSM-5 wurde im Mai 2013 von der American Psychiatric Association (APA) veröffentlicht.
Bezüglich der DSM-5-Diagnosekriterien der Affektiven Störungen gab es einige Änderungen zum DSM-IV (vgl. Saß 2003, APA 2013).
Neben den bekannten Depressiven Störungen wurden mehrere weitere depressive Erkrankungen in das DSM-5 aufgenommen, wie zum Beispiel die Disruptive Mood Dysregulation Disorder (DSM-5 296.99) und die Premenstrual Dysphoric Disorder (DSM-5 625.4).
Major Depression
Bei der Diagnose einer Episode einer Major Depression galt im DSM-IV als Ausschlusskriterium, wenn die Symptome innerhalb der ersten zwei Monate nach dem Tod einer nahen Bezugsperson auftraten. Dieses Ausschlusskriterium wurde im DSM-5 gestrichen.
Weiterlesen: Depressive Störungen - DSM-5
Bipolare Störungen
Bezüglich der Diagnose der Bipolaren Störungen wurden im DSM-5 ebenfalls einige Änderungen eingeführt.
So wurde unter anderem im Kriterium A der manischen und hypomanen Episoden neben dem Stimmungswechsel auch eine Änderungen der Aktivität und der Energie als Kriterium eingeführt.
Die Diagnose 296.0 (Bipolar-I-Störung, einzelne manische Episode) wurde ersatzlos gestrichen.
Weiterlesen: Bipolare Störungen - DSM-5
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Affektive Störungen: Differenzialdiagnose
Beim erstmaligen Auftreten einer affektiven Störung muss im Rahmen der Diagnosestellung geklärt werden, ob es sich um eine primäre affektive Erkrankung handelt, oder ob die Symptome im Rahmen einer anderen körperlichen oder psychischen Erkrankung auftreten.
Veränderungen der Stimmungs- und Gefühlslage können auch bei verschiedensten anderen seelischen Erkrankungen, wie z.B. bei Angststörungen oder Zwangsstörungen sowie nach belastenden Lebensereignissen, zum Beispiel im Rahmen einer PTBS oder eines Burn-out-Syndroms, auftreten.
Daneben können wie im folgenden beschrieben auch verschiedene körperliche Erkrankungen und Substanznebenwirkungen zum Auftreten von depressiven oder manischen Symptomen führen.
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Affektive Störungen im Rahmen organischer Erkrankungen
Beim Neuauftreten einer affektiven Störung sollte auch eine Laboruntersuchung (Blutbild, BKS, Leberwerte, Nierenwerte) erfolgen.
Weitere Untersuchungen wie z.B. Schilddrüsenwerte, EKG, EEG, CCT, HIV-Test etc. sind je nach Verdachtsdiagnose sinnvoll bzw. erforderlich:
Stoffwechselerkrankungen
Falls der klinische Verdacht besteht, sollten mögliche Stoffwechselerkrankungen abgeklärt werden. Dazu gehören insbesondere die Hypothyreose und die Hyperthyreose (Schilddrüsenunterfunktion bzw. -überfunktion) sowie die Nebennierenrindenunterfunktion bzw. -überfunktion (z.B. im Rahmen eines Morbus Addison bzw. Morbus Cushing).
Neben diesen Erkrankungen können zum Beispiel auch der Hyperparathyreoidismus und der Hypoparathyreoidismus (Nebenschilddrüsenüberfunktion und -unterfunktion) oder ein Diabetes mellitus mit depressiven Symptomen einhergehen. Bei entsprechendem Verdacht sollte auch an Multiple endokrine Neoplasien (MEN) gedacht werden.
Falls die Erkrankten neben wiederkehrenden depressiven Phasen auch unter rezidivierenden abdominellen Schmerzen leiden, sollte als Differentialdiagnose zu einer somatoformen Abdominalsymptomatik auch eine Porphyrie ausgeschlossen werden.
Zum Merken...
Beim erstmaligen Auftreten einer Affektiven Störung sollten folgende Stoffwechselerkrankungen ausgeschlossen werden:
- Schilddrüsenunterfunktion bzw. -überfunktion
- Nebenschilddrüsenunterfunktion bzw. -überfunktion
- Nebennierenrindenunterfunktion bzw. -überfunktion
- Diabetes mellitus
- Porphyrie
Infektionskrankheiten
Bei entsprechendem Risikoverhalten ist der Ausschluss einer HIV-Infektion erforderlich, um eine mögliche AIDS-Erkrankung mit zentralnervöser Beteiligung auszuschließen. Auch verschiedene andere Infektionskrankheiten, wie z.B. die Mononukleose (Pfeiffersches-Drüsenfieber), die Influenza (Grippe), die Viruspneumonie oder Typhus, können depressive Symptome hervorrufen.
Zerebrale Veränderungen
Eine Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff kann sekundär zu affektiven Störungen führen. Als Ursachen für die Sauerstoffunterversorgung können z.B. eine zerebrale Minderdurchblutung durch eine verschlechterte Pumpfunktion des Herzens, wie bei der Herzinsuffizienz oder bei kardialen Arrythmien, in Betracht kommen. Auch eine verschlechterte Lungenventilation wie z.B. bei der Schlafapnoe oder der Chronisch obstruktiven Bronchitis (COPD) können zu einer Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff führen.
Auch neurodegenerative Erkrankungen wie z.B. die Alzheimer-Erkrankung, der Morbus Parkinson oder die Enzephalomalazie, entzündliche Gehirnerkrankungen wie die Encephalomyelitis disseminata oder auch eine schlecht eingestellte Epilepsie können depressive Symptome verursachen.
Neben der entsprechenden internistischen Diagnostik sollten bei entsprechendem Verdacht zusätzlich ein EEG und ein CCT durchgeführt werden.
Neoplasien
Tumorerkrankungen können ebenfalls depressive Symptome verursachen. Neben cerebralen Tumoren sollte bei entsprechendem Verdacht u.a. an den Ausschluss eines Pankreaskarzinoms und den Ausschluss von Leukämien gedacht werden.
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Affektive Störungen als Medikamentennebenwirkung
Verschiedene Medikamente können als Nebenwirkungen Depressionen hervorrufen. Dazu gehören u.a.:
- Psychopharmaka, z.B. Benzodiazepine, Phenothiazine, Chlorpromazin,
- Kardiaka und hirngängige antinoradrenerge Antihypertensiva, z.B. Reserpin, Metoprolol, Propranolol, Prazosin, Clonidin, Alpha-Methyldopa, Digitalis,
- Zytostatika, z.B. Vincristin, Vinblastin,
sowie u.a. auch Indometacin, Levodopa, Disulfiram, Cimetidin, Kortikosteroide, Opiate, Antikonvulsiva oder orale Antikonzeptiva.
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Affektive Störungen bei Alkohol- und Drogenkonsum
Täglicher Alkoholkonsum korreliert in einem hohen Grad mit dem Auftreten bzw. Vorliegen von depressiven Symptomen. Im Vordergrund der Therapie steht in diesen Fällen zunächst insbesondere die Behandlung der Alkoholabhängigkeit. Bei bipolaren Erkrankungen kann es demgegenüber vorkommen, dass die Betroffenen insbesondere in den manischen Phasen vermehrt Alkohol konsumieren, wobei dann vorrangig die Behandlung der Manie im Vordergrund steht.
Auch Drogenkonsum kann zu erheblichen affektiven Störungen führen. Der langjährige Cannabiskonsum oder Amphetaminmissbrauch kann zu hypomanen, ängstlichen, depressiven oder psychotischen Symptomen führen. Langjähriger Kokainkonsum kann ebenfalls manische oder depressive Symptome hervorrufen.
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Affektive Störungen: Epidemiologie
Affektive Störungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen mit einer Punktprävalenz von ca. 15-30%. Unter den schwereren affektiven Störungen kommt die depressive Episode mit einer Punktprävalenz von ca. 5% am häufigsten vor.
Weitere Angaben zur Epidemiologie finden Sie in den Kapiteln der jeweiligen Störungsbilder.
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Affektive Störungen: Verlauf
Die affektiven Erkrankungen verlaufen oftmals in sich wiederholenden Krankheitsphasen, die von mehr oder weniger langen “gesunden” Phasen unterbrochen sein können. Dabei kann es auch zu einer saisonalen Häufung kommen, z.B. bei der so genannten “Winterdepression”.
Rapid Cycling
Als Rapid Cycling bezeichnet man das Auftreten von mindestens vier Krankheitsepisoden innerhalb von 12 Monaten.
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Affektive Störungen: Therapie
Die ausführlichen Informationen zur Therapie der affektiven Störungen finden Sie in den Kapiteln der jeweiligen Störungsbilder, klicken Sie dazu bitte hier:
• Depressive Störungen
• Bipolare Störungen
• Zyklothyme Störung
• Dysthyme Störung
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Autoren des Artikels: Dr. Sandra Elze & Dr. Michael Elze
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